VU Gesundheitspsychologie

3. Stress und Gesundheit

Kognitiv-transaktionale Stresstheorie: kognitive Bewertungen 

am Anfang jeder Stressepisode stehen kognitive Bewertungen (cognitive appraisals).
  • Primärbewertungen (primary appraisals) = Situationseinschätzung, bei der das  Individuum herausfindet, inwiefern eine vorliegende Situation für sein eigenes Wohlbefinden relevant werden könnte.
    Dabei werden Situationen laut Lazarus anhand verschiedener Charakteristiken beurteilt, die die Vorhersagbarkeit, Kontrollierbarkeit und zeitliche Erstreckung der Reizgegebenheiten betreffen.
  • Gekoppelt mit dieser Situationseinschätzung läuft gleichzeitig die so genannte Sekundärbewertung (secondary appraisal) ab, bei der die Person die Situationsanforderungen mit dem abgleicht, was es ihnen entgegenzusetzen vermag (eigene Ressourcen). Relativ stabile Einflussfaktoren dieser Ressourceneinschätzung sind persönliche Motive, Ziele, Wertvorstellungen und generalisierte Erwartungen.

Reihenfolge: 
Die Namen dieser Bewertungsformen sind etwas verwirrend, da sie eine spezifische Reihenfolge implizieren (primär und sekundär). Lazarus betont allerdings, dass Bewertungsvorgänge in unterschiedlichen Sequenzen ablaufen können und wahrscheinlich meistens parallel zueinander geschehen und auch keinesfalls unabhängig vonei nander sind.

Je nachdem, wie Primärbewertung (Situationseinschätzung) und Sekundärbewertung (Ressourceneinschätzung) ausfallen und sich kombinieren, können unterschiedliche Formen von subjektiv wahrgenommenen Stressepisoden entstehen: Schaden / Verlust, Bedrohung, Herausforderung oder – falls kein Stress entsteht – Gewinn oder vielleicht auch Gleichgültigkeit.

Schaden/Verlust:
Bewertungen von Schaden / Verlust (harm / loss) folgen auf bereits eingetretene Ereignisse dieser Art, z. B. eine verpatzte Prüfung.

Bedrohung:
Bedrohung (threat) und Herausforderung (challenge) beziehen sich auf die Erwartung zukünftiger Ereignisse, z. B. eine bevorstehende Prüfung.

→ Je nachdem zu welcher Einschätzung oder welchen Einschätzungsmustern ein Individuum gelangt, kommt es in der Folge zu ganz unterschiedlichen Emotionen und Bewältigungsversuchen.

Angst: entsteht nur bei Bedrohungsbewertungen (oder bei Bewertungsmustern, bei denen Bedrohung im Vordergrund steht). Genau genommen würde dann so gar Furcht entstehen, wenn der Bedrohung ein bestimmtes Gesicht gegeben werden kann, die Quelle der Bedrohung für das Individuum also feststeht (Krohne 1996, 2010).

Herausforderungsbewertungen führen erst einmal nicht zu Angstreaktionen, da ihnen die Erwartung eines möglichen Gewinns anhaftet. Bereits eingetretener Schaden oder Verlust, vor allem wenn er irreversibel ist, sollte nach diesen Überlegungen zu Formen der Traurigkeit führen.

Diskussion