Asendorf & Neyer - Sechs Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie

6. Evolutionspsychologisches Paradigma

Verwandtschaft, Vertrautheit & emotionale Nähe (Unter der Lupe)

Verwandtschaft, Vertrautheit und emotionale Nähe:

Neyer und Lang (2003):
untersuchten den Zusammen
hang zwischen genetischem Verwandtschaftsgrad und emotionaler Nähe zu Bezugspersonen in 3 Stichproben mit insgesamt 1 365 Erwachsenen höheren Alters.

Ergebnisse: 
Der genetische Verwandtschaftsgrad hing deutlich mit der subjektiv eingeschätzten emotionalen Nähe zu den Bezugspersonen zusammen: je genetisch ähnlicher die Bezugsperson, desto emotional näher fühlt man sichihr.
Ein proximater Mechanismus„Hilfe aufgrund emotionaler Nähe“ würde damit die inklusive Fitness fördern, 
ohne dass der genetische Verwandtschaftsgrad auf direkte Weise wahrgenommen werden müsste: Dieser Mechanismus wäre evolutionär adaptiv. Allerdings ist damit noch nicht klar, worauf das Gefühl der emotionalen Nähe beruht.

⇒ Die Daten von Neyer und Lang (2003) legen nahe, dass emotionale Nähe auf Vertrautheit beruht, d. h. auf der Summe der (positiven aber auch negativen) Erfahrungen mit der Bezugsperson.
Innerhalb der genetisch 
Nichtverwandten gab es nämlich große Unterschiede in der emotionalen Nähe, wobei der Partner als besonders nah wahrgenommen wurde und Freunde als etwas näher als sonstige Nichtverwandte.  
Bei 
älteren Menschen ist der Partner meist die vertrauteste Person überhaupt und Freunde dürften etwas vertrauter sein als Nicht-Freunde. Auch die Unterschiede in emotionaler Nähe zwischen den drei genetischen Verwandtschaftsgraden dürften sich gut auf Unterschiede in Vertrautheit zurückführen lassen (z. B. sind Geschwister und Eltern meist vertrauter als Neffen, Nichten oderEnkel).
Der proximate Mechanismus für Hilfeleistung 
könnte also darin bestehen, dass Vertrautheit mit einer Bezugsperson bei deren Anwesenheit das Gefühl emotionaler Nähe aktiviert, das wiederum das Ausmaß der Hilfeleistung beeinflusst.

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