Zwangsvollstreckung

Zwangsvollstreckung Widerruf persönlichkeitsverletzende Äußerung
 
Fall: Das Landgericht Bielefeld verurteilt den Schuldner S durch ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil zum Widerruf der ehrverletzenden Behauptung, der Gläubiger — ein stadtbekannter Unternehmer — sei bereits mehrfach wegen Untreue vorbestraft und weiterhin in der Rauschgiftszene der Stadt Bielefeld tätig.
Nachdem der Gläubiger den Schuldner unter Fristsetzung erfolglos zur Abgabe der Widerrufserklärung aufgefordert hat, beantragt er im Wege der Zwangsvollstreckung die Festsetzung eines Zwangsgeldes.

Das LG Bielefeld gibt dem Antrag nach Anhörung des S statt.

Der Schuldner S legt dagegen durch seinen Anwalt sofortige Beschwerde ein.

Zu Recht?

Erster Teil Lösung egal; wichtig aber: die Begründetheit
 
A. Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde
I. Statthaftigkeit, § 793 ZPO
- Die sofortige Beschwerde ist gem. § 793 ZPO gegen Entscheidungen im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne zwingende mündliche Verhandlung statthaft.

- Der Erlass des Festsetzungsbeschlusses i.S.d. § 888 ZPO erfolgt im Verfahren der Zwangsvollstreckung unvertretbarer Handlungen.

- Es liegt auch eine Entscheidung vor, da der Schuldner zuvor zwingend zu hören war (§ 891 2 ZPO) und auch gehört wurde. Eine mündliche Verhandlung ist insoweit nur fakultativ 891 S, 1, 128 Abs. 4 ZPO).

Folglich ist die sofortige Beschwerde statthaft.

II, Zuständigkeit

Für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 793, 572 Abs. 1 S, 1 ZPO zunächst das LG Bielefeld zuständig. Erst im Fall der Nichtabhilfe ist das im Rechtszuge zunächst höhere Gericht als Beschwerdegericht zuständig, hier also das OLG (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG).

III. Frist

Es gilt gem. § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO eine Notfrist (vgl. § 224 Abs. 1 S. 2 ZPO) von zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses. Frist wird auch durch Einlegung beim Beschwerdegericht gewahrt.

IV. Form

Gem. § 569 Abs. 2 ZPO wird die Beschwerde durch die Einreichung einer Beschwerdeschrift unter Einhaltung der Mindestangaben des S. 2 erhoben (Einreichen beim Beschwerdegericht ebenfalls fristwahrend, vgl. oben).

V. Beschwer
S ist durch die Festsetzung eines Zwangsgeldes beschwert.
 
VI. Allgemeine Prozesshandlungsvoraussetzungen

Für die Erhebung der sofortigen Beschwerde besteht dann kein Anwaltszwang, wenn sie sich gegen eine Ausgangsentscheidung des Amtsgerichts wendet (§§ 569 Abs. 3 Nr. 1., 78 Abs. 3 ZPO). Bei Entscheidungen ab dem LG aufwärts, und damit auch hier, herrscht nach den allg. Regeln des § 78 ZPO Anwaltszwang.

Die sofortige Beschwerde ist folglich zulässig.

B: Begründetheit der sofortigen Beschwerde

Die Beschwerde ist begründet, wenn die Festsetzung des Zwangsgeldes nicht hätte erfolgen dürfen.

Das ist der Fall, wenn die Voraussetzungen für die Zwangsgeldfestsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vorgelegen haben.

I. Ordnungsgemäßer Vollstreckungsantrag an das zuständige Organ
1. Hinreichende Bestimmtheit des Antrags
a, Genaue Bezeichnung der vom Schuldner vorzunehmenden Handlung durch den Gläubiger (hier: Widerruf ehrverletzender Behauptungen) und Darlegung, ob die vorzunehmende Handlung eine vertretbare oder (wie hier) unvertretbare ist, weil die Handlung ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt.
 
b. Nicht erforderlich ist die Angabe oder das Maß eines bestimmten Zwangsmittels 
 
2. Mindestens schlüssige Behauptung des Gläubigers, dass Schuldner trotz Möglichkeit und ausreichender Zeit die Erfüllung verweigerte.
 
3. Fraglich ist aber, ob es sich vorliegend um die Zwangsvollstreckung einer unvertretbarenHandlung iSv § 888 Abs. 1 ZPO handelt.
 
a. Früher h.M,
 
Da der Widerruf eine unvertretbare Handlung darstellt, richtet sich nach dieser Auffassung die Vollstreckung nach § 888 ZPO 
 
b. Heute h.M.

Die Vollstreckung erfolgt in analoger Anwendung des § 894 ZPO.

 Die Widerrufserklärung des Verleumders ist in der Form, in der sie durch eine Zwangsvollstreckung gem. § 888 ZPO erzwungen werden kann, ohne Kenntnisnahme von dem Widerrufsteil nichtssagend. Der Verleumder, der sich mit dem vollen Gewicht seiner Persönlichkeit hinter seine unwahre Behauptung gestellt hat, und dadurch zur Überzeugungsbildung bei seinem Zuhörer beigetragen hat, kann nach der Rspr. des BVerfG nicht dazu gezwungen werden, sich in gleicher Weise hinter seinen Widerruf zu stellen und die aufgestellte Behauptung als unwahr zu bezeichnen, um die Beeinträchtigung wieder zu beseitigen. Der zum Widerruf Verurteilte darf vielmehr in seiner Erklärung zum Ausdruck bringen, dass er den Widerruf in Erfüllung des gegen ihn ergangenen rechtskräftigen Urteils abgibt. Es wurde ihm nicht angesonnen, seine Überzeugung zu ändern, auch nicht, einen nicht vorhandenen — Überzeugungswandel nach außen zu bekennen. Selbst ein Hinweis auf die Rspr. des BVerfG als Grundlage des Widerrufs wird von der Rspr. nicht als unzulässige Einschränkung des Widerrufs angesehen .

Entsprechend der im Vordringen befindlichen Auffassung kann im Tenor des Urteils klargestellt werden, dass die ehrenrührige Behauptung mit der Rechtskraft des Urteils als widerrufen gilt.

c. Stellungnahme:
Für die h.M. spricht, dass die Vollstreckung nach § 888 ZPO unpraktikabel ist, da der Schuldner berechtigt ist, den Widerruf, der unter Wiederholung des zu Widerrufenden erfolgen müsste, unter Mitteilung der gerichtlichen Verurteilung zu erklären und damit den Widerruf „unter Hinweis auf Druck sonst eintretender staatlicher Zwangsmaßnahmen" vorzunehmen (die Widerrufserklärung hat keine Wirkung; man kann mit Form wie man es sagt klarmachen, dass man es immer noch so sieht, und nur wegen dem Urteil den Widerruf vornimmt). Die Anwendung des § 894 ZPO ist im Hinblick auf den Persönlichkeitsschutz des Verleumders das für den Schuldner auch die weniger belastende, für den Gläubiger aber gleich effektive Mittel. (mit Urteil wird alles erreicht)

(Achtung: der ursprünglichen Meinung aber folgen, wenn es um Presse geht; die hM geht nur, wenn man über einen überschaubaren Kreis redet -> § 888 ZPO wenn großer Personenkreis)

Somit war die Zwangsvollstreckung als unvertretbare Handlung i.S.v. § 888 ZPO unstatthaft.

II. Ergebnis: Die sofortige Beschwerde ist folglich begründet, sodass ihr abzuhelfen ist.

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Anm. zu § 888 ZPO:

1. Das Zwangsgeld wird auf Antrag des Gläubigers zugunsten der Staatskasse aufgrund des Beschlusses (§ 794 Abs. I Nr. 3 ZPO) beigetrieben. Es erfolgt keine Vollstreckung von Amts wegen nach Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO), der Gläubiger bleibt Herr des Zwangsvollstreckungsverfahrens .
 
2. Hat der Schuldner das Zwangsgeld gezahlt und der gem. § 888 ZPO zu vollstreckende Titel wird in der Rechtsmittelinstanz aufgehoben (er war bis dahin also nur vorläufig vollstreckbar) fragt sich, wie der Schuldner sein Geld zurückbekommt.

Da der Festsetzungsbeschluss als Rechtsgrund für das Behaltendürfen nach wie vor existent ist, muss er diesen aufheben lassen (§§ 776, 775 Nr. 1 ZPO).

Ist dies der Fall, hat der Schuldner einen Anspruch auf Rückforderung des Betrages gem. § 812 Abs. I S. 2 BGB bzw. § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO analog. 

 
3. Die Höhe des Zwangsgeldes richtet sich nach Art. 6 EGStGB.

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